Dr. Erdel Verlag 

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Klaus Holzmann

 

1965: geb. in Judendorf-Straßengel (Stmk., Österreich)

1984: Matura BG Stift Rein

ab 1984: Studium der Deutschen Philologie an der Karl-Franzens-Universität Graz (Germanistik, Anglistik, Philosophie, Geschichte)

lebt und arbeitet in Wien

Klaus Holzmann, Wien, 2007 (rechts, zusammen mit Arnulf Meifert, in seinem Atelier in Wien) (Fotos: Erdel Verlag)

 

 
PUBLIKATIONEN

 

1991: Titelblatt und Vignetten zu "Protokolle – Zeitschrift für Literatur und Kunst, 1991/1

1992: "Ene, Mene, Mopel, die Nase und der Popel", Werner Pieper Verlag, Löhrbach (BRD)

1993: "Tod als spröde Gunst erachtet", Regensburg, Eigenverlag

 

MUSEUMSANKAUF
 

1990: Rupertinum Salzburg

 

Klaus Holzmann, Wien, 2007

 

 

Einzel- und Gruppenausstellungen

1988: Aula der Universität Graz

1989: Galerie Mark & Matthias Stähli, Oberdiessbach/Bern (Katalog)

1990: Kulturhaus Graz (Katalog)

1991: Galerie Mark & Matthias Stähli, Oberdiessbach/Bern (Katalog)

1995: Galerie Plana, Plana bei Marienbad (Tschechien)

1997: Cluster Room 97 to 102, Mediathek der Stadt Graz

2000: Eisernes Haus, Südtirolerplatz, Graz

2000: "Brüderlein Hein Todel", Theaterabend im Theater im Bahnhof nach Ideen von Klaus Holzmann, Ausstellung

2001: Theater im Bahnhof, Graz, Ausstellung

2002: Galerie der Bücherstube, Graz

 

Franziska Meifert über Klaus Holzmann: Infraschwarz

Wie unser Gehirn arbeitet in seinem Wirrwarr an echten und vermeintlichen Erinnerungen, Eindrücken, Erfahrungen, steht zunehmend im Zentrum der Aufmerksamkeit. Die Kunst, allemal die phantastische von Bosch über Goya bis zum Surrealismus und weiter, zeichnet immer neue Topographien des Unbewussten, und in dieser Traditionslinie der Selbsterforschung sind auch die Arbeiten von Klaus Holzmann zu sehen.

Spätestens seit Freud wissen wir, dass wir nicht Herr im eigenen Haus unserer Psyche sind, dass unser Ich ständig vom chaotischen Es einerseits und dem restriktiven Über-Ich andererseits bedroht ist, ein kleines morsches Boot auf dunklen, gefährlichen Wassern zwischen Skylla und Charybdis. Seine Schüler und Nachfolger gingen noch weiter. Heute sind Einheit und Autonomie des Subjekts unwiderruflich beendet, an seine Stelle sind „Ich-Vielheiten“ (Lacan) und „Fractale“ (Baudrillard) getreten, nomadisches Denken ohne Subjekt (Deleuze). Die heutige Gehirnforschung, die dem rationalen Bewusstsein immer weniger, dem Unbewussten hingegen immer mehr Macht zuerkennt, bestätigt dies nur. Wir sind weit weniger das, was wir gerne wären, und wir sind weit mehr, als wir von uns wahrnehmen wollen. Wie Pandoras Box: eine im besten Fall hübsche Hülle, aber kaum lüpft man den Deckel, schlüpfen seltsame Wesen hervor und nicht immer die angenehmsten.

Kurzum: Ich ist nicht nur ein Anderer, Ich sind viele. Mein Daimon, meine Lebensenergie, trägt vielfältige Gesichter und Gestalten. Alles, was durch meinen Kopf spukt, alles, was ich träume, alles, was über das Papier geistert, bin ich: das Ende jeder klar strukturierten, politisch und sonstwie korrekten Identität, wie sie Gesellschaft und Moral erwarten.

Die Kunst des Künstlers besteht nicht zuletzt darin, den Zensor der eigenen Wahrnehmungsgrenzen auszutricksen, ihn zu täuschen. Klaus Holzmann ist dabei ausgesprochen gewieft, fintenreich. In lustigen Gewändern ziehen die traurigsten Gedanken vorbei. Düsterkeit tarnt sich mit skurrilem Humor, der Schrecken nimmt sich drollige Gestalten zur Begleitung, kleine Trojaner. Sie sagen zum Zensor: „Lass uns durch, wir sind ja nur eine Zeichnung, wir tanzen nur auf einem Stückchen Papier herum, niemand wird uns bemerken.“

 

Wenn Alltagsvernunft und Ratio vom Künstler derart überlistet und ausgeschaltet werden, dann dringen Emotionen und Ängste ungefiltert durch. Traum und Traumata übernehmen die Regie im Bühnenraum der grauen Zellen. Das Unbewusste wirft eigentümliche Schatten aufs Papier: riesige Köpfe, die auf Strichbeinchen umhertapsen oder im Raum schweben wie ein Meteorit im All, düsterschwarze Freaks, die uns ohne Arme oder Beine, mit viel zu großen Händen oder verrenkten Gliedern entgegenwanken, Monstrositäten und Mischwesen aus Mensch und Tier. Trotz aller individuellen Züge sind sie im kollektiven Unbewussten verankert, sie gehen uns alle was an. Unübersehbar gleichen die Schemen aus der Schattenwelt dem Nachtvolk, das ehedem als Blutschink und Dreibein, Puck und Ork, Wechselbalg und Windsbraut durch den Volksglauben geisterte und heute im Horrorfilm seine massenpopuläre Bühne findet. Gesichter, die aus ferner Erinnerung aufzutauchen scheinen, milde und versöhnlich oder andere, fratzenhaft, ganz in die Tinte des Alps getunkt. Aber auch zellulare Strukturen wie unterm Mikroskop, die als evolutionäre Erinnerung in unseren ältesten Gehirnregionen ihr Dasein fristen, ozeanische Welten, die über das Papier blubbern und von kleinsten Organismen bevölkert werden. Tierische Menschen und vermenschlichte Tiere verweisen auf unseren Platz in der Kette der Wesen – ein menschlicher Kauz kann sich hier als Vogel mit Mäuseohren entdecken, der notorische Zauderer als Schneck, der vorsichtig in den Abgrund linst.

Dabei arbeitet der Stift auf dem Papier wie ein Seismograph, der jedes „Beben“ direkt aufzeichnet. Kein langes Nachdenken über den Einsatz der Mittel schiebt sich zwischen Gedanken und Gestalt, kein Zeitraum zum Trocknen von Farbe, kein technischer Firlefanz. Die Einfachheit der Mittel und des Formats stehen nicht im Widerspruch zur Dichte der Bearbeitung - Zeichnung heißt nicht zwangsläufig Skizze, ist keine dünne Suppe in Relation zum auftrumpfenden Tafelbild. Die Zeichnung ist unmittelbar, direkt, schnell und leise. Sie ist und bleibt der Samisdat der bildenden Künste, nichts lässt sich leichter verstecken oder transportieren. Eigentlich ideal für das neue Nomadentum, das von Ort zu Ort seinen Produktions- und Arbeitsstätten nachziehen muss.

Ein Spiegel, in den wir blicken und hinter unsere Fassade sehen, dorthin, wo der entscheidende Teil unseres Erlebens stattfindet. So wie die Infrarotkamera die unsichtbaren Wärmestrahlen nutzt, um im Dunkel Leben sichtbar zu machen, so macht der Zeichner mit seinen Stiften sichtbar, was sich in der Schwärze unseres Unbewussten verbirgt. Dieses Unterdrückte klebt an uns wie der Teer an der Pechmarie. Diese Schatten folgen und verfolgen uns, nicht nur in unseren Träumen. Klaus Holzmann gibt sie mit Lust und Tücke wieder, auch wenn er sie gelegentlich mit Buntheit tarnt. 

Der rumänische Dichter Gherasim Luca lotete seine Nachtgedanken in einem Buch aus, dessen treffenden Titel ich lieh: „Infraschwarz“.


Pressemeldungen: "Infraschwarz"  in: "Mittelbayerische Zeitung"