Dr. Erdel Verlag |
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Ludwig Gebahrd vor seiner Skulptur im Park in Landsberg am Lech (Foto: Dr. Erdel Verlag) |
Ludwig
Gebhard
Geboren in Tiefenbach / Oberpfalz 12 Semester Studium an der Akademie der bildenden Künste in München bei Prof. Ernst Geitlinger Studium der Kunstgeschichte bei Prof. Georg Schmidt Zahlreiche Studienaufenthalte in Europa, 1983 Gast der Villa Romana in Florenz Arbeitsgebiete: Druckgrafik, Handzeichnung, Malerei, Skulptur, Textilentwurf Im Jahr 2000 Eröffnung des Ludwig Gebhard Museums in seinem Geburtsort Tiefenbach. Das Museum beherbergt etwa 130 Grafiken von Ludwig Gebhardt, ebenso Skulpturen, Textilarbeiten und eine ausgewählte Sammlung von Veröffentlichungen über den Künstler und seine Arbeit. Ludwig Gebhard lebt und arbeitet in Landsberg am Lech und in München. Seine Arbeiten wurden bis heute in mehr als 120 Ausstellungen im In- und Ausland gezeigt, etwa 40 Publikationen beschäftigen sich mit seinem vielfältigen Schaffen.
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Tiefenbach. In der Regensburger Galerie Dr. Erdel Verlag wurde am vergangenen Freitag eine bis zum 26. September dauernde Ausstellung mit Werken des Tiefenbacher Künstlers Ludwig Gebhard im Beisein von zahlreichen Gästen eröffnet: u.a. Conradine Gebhard, die Witwe des Künstlers, der Tiefenbacher Bürgermeister Johann Müller mit Gattin und die Kulturreferentin des Landkreises Cham, Bärbel Kleindorfer-Marx. Die Eröffnungsansprache hielt auf Wunsch der Witwe Gebhard der Further Max Riedl, der den im vergangenen Jahr verstorbenen Künstler vor einem Jahrzehnt kennen gelernt hatte. Am 14. August dieses Jahres - also noch während der Dauer dieser Ausstellung, wäre der aus Tiefenbach stammende, im vergangen Jahr am 17. März verstorbene freischaffende Künstler Ludwig Gebhard 75 Jahre alt geworden.
Tiefenbachs Bürgermeister Johann Müller nutzte bei seinem Grußwort die Gelegenheit, auf einen Besuch des Ludwig-Gebhard-Museums und die laufende Ausstellung mit rund sechzig Plakaten hinzuweisen. Galerist Dr. Wolf Erdel verwies bei der Eröffnung darauf, dass dies nach 2005 bereits die zweite Gebhard-Austellung in der Regensburger Galerie sei und war sichtlich erfreut über den Besuch von gut einem halben Hundert Besuchern, darunter erstaunlich viele junge Gesichter. In der Regensburger Ausstellung zu Gebhards 75. Geburtstag stellte Max Riedl das in seinen Werken dokumentierte Menschenbild Gebhards und seine Person heraus. International bekannt wurde Gebhard vor allem durch seine Meisterdisziplin "Linolschnitt" ( meist in der Technik des "Verlorenen Drucks"), die er mit großer handwerklicher Perfektion beherrschte. Gebhard sah nach Riedl Worten den Betrachter nicht als reinen Konsumenten, sondern als einen durch das Sehen Mitschaffenden. Die Zuschauer, die er sich als aktive Betrachter wünschte, sollten mit eigenen Augen sehen und genießen. Gebhard nahm den Betrachter ernst gleichsam als sehenden Vollender seiner Bildentwürfe und Vorlagen. Er forderte vom Betrachter Mitdenken und Mitgestalten durch Sehen und Denken im Sinne Kandinskys, der "Verstehen" als "Heranbilden des Zuschauers auf den Standpunkt des Künstlers" begriff. |
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Empfehenswert sei die Betrachtung der Gebhardschen Bilder auch deswegen, weil sie tatsächlich durch die Helligkeit und Farbigkeit vorsichtigen Optimismus vermitteln würden. Obwohl Gebhard oft Farbe und Form signalhaft einsetzt, würden die Zwischentöne nicht übersehen. So zeige sich durchwegs positiv Ludwig Gebhard als ein Künstler von entfesselter Produktivität. Die Reduzierung in Gebhards Bilderfindungen, egal ob bei Abstraktion oder Figur, präzisiert seine Ideen und ermöglicht eine optische Fülle. Riedl bekannte, dass er fasziniert von Gebhards Persönlichkeit war wie alle, die mit ihm zu tun hatten. Vielen bleibt er als vitaler, getriebener "Bursche" in Erinnerung. Man kann nachempfinden, was Lutz Dürrmeier über ihn vor vierzig Jahren schrieb: Gebhard "ist ein Bayer, herzlich, vital und unkompliziert; ein drahtiger Mann mit einem Bergsteigergesicht. Gebhard wollte Geiger werden, doch er kapitulierte vor dem Instrument und entdeckte schließlich, dass er Feder und Pinsel virtuoser beherrschte." Die Ausstellung in der Galerie Dr. Erdel Verlag ( Am Fischmarkt 3, 93047 Regensburg) ist bei freiem Eintritt mittwochs und freitags von 16-19 Uhr oder nach telefonischer Vereinbarung geöffnet. Bildtext: Freuten sich über eine gelungene Vernissage anlässlich der Austellung zum 75. Geburtstag Ludwig Gebhards: Tiefenbachs Bürgermeister Johann Müller mit Gattin, Galerist Dr. Wolf Erdel, Künstlerwitwe Conradine Gebhard, Laudator Max Riedl. ( von rechts) Figur 97: Der mehrfarbige Linolschnitt in der Technik des Verlorenen Drucks schmückte Einladungskarte und Ausstellungsplakat der Regensburger Ausstellung. (aus der Rede von Max Riedl zur Eröffnung der Ausstellung am 8.8.08 in Regensburg)
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"In aller großen Kunst ist ein WILDES Tier: gezähmt." Ludwig Wittgenstein, zitiert nach Johannes Hallinger "Wir müssen uns doch auf ein Sprechen einigen" - Interpretationen zu 12 Linolschnitten von Ludwig Gebhard, Landsberg am Lech, 1995 | |
Ausstellungen
im Dr. Erdel Verlag
21.10.2005 - 18.11.2005: Das wilde Tier: gezähmt Zur Ausstellung liest am Dr. Wolf Peter Schnetz am 4.11.05 20:00 in unserem Ausstellungsraum am Fischmakrt |
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Einführung
von Dr. Pavel Liška zur Ausstellung Ludwig
Gebhard „Das wilde Tier: gezähmt“ im
Ausstellungsraum des Dr. Erdel Verlags 20. Oktober
– 18. November 2005-12-05 Die meisten der hier Anwesenden sind sicherlich
sehr gut mit dem Werk von Ludwig Gebhard bekannt. Sie werden die
Linolschnitte zunächst vor allem als schön empfinden, als harmonisch, als
etwas, das man gerne anschaut, durch das Schönheit vermittelt wird. Auf den
ersten Blick ist mir das auch so gegangen und auf den zweiten Blick habe ich
gemerkt – die Schönheit ist nicht so einfach. Sie strengt an. Es ist
keine klassische Schönheit, bei der man ein Bild symmetrisch aufbaut und
den perspektivischen Raum wahrnimmt, wo die Farben lokal sind, wo man in
eine bekannte Bilderwelt kommt, sondern es ist eine Schönheit, Harmonie,
die auf Unregelmäßigem, auf Ungleichmäßigem, auf Unbestimmten basiert.
Ich möchte dafür den in der
modernen Kunst sehr wichtigen Begriff „Ambivalenz“ verwenden. Ob es eine Linie, eine Fläche, ob es eine
Raumdarstellung oder -definition ist, wir sind nicht ganz sicher wie das
jeweilige Element eingesetzt wurde. Man kann es so oder so sehen.
„Ambivalenz“ ist ein Begriff, der Mehrdeutigkeit bedeutet, der
Uneindeutigkeit bedeutet. Ich glaube, dass der Begriff „Ambivalenz“
die Dinge beschreibt, die der Künstler eigentlich macht. |
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Zur Fünfjahresfeier des Ludwig Gebhard Museums in Tiefenbach am 7. August konnte Ludwig Gebhard leider nicht selbst teilnehmen. Bürgermeister Johann Müller, Gemeinde Tiefenbach, nahm das Jubiläum jedoch zum Anlass, zusammen mit dem Dr. Erdel Verlag in Regensburg eine Erweiterung des kulturellen Angebotes das Museums zu planen. Weitere Informationen zum Oktober 2005. (w.e. 24.8.05) |
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Der Ambivalenzbegriff ist bei Gebhard nicht nur
auf die gestalterischen Elemente, also Fläche, Farbe und Raum anzuwenden,
darauf werde ich später zurückkommen, sondern auch auf die Formensprachen,
die Formensysteme, die man beim Betrachten der Bilder entdecken kann. Mir
geht es so, dass ich in den Bildern den Konstruktivismus entdecke, den
Surrealismus entdecke, und natürlich den Kubismus. Immer wieder den
Kubismus. Und es ist interessant, dass man das so sieht. Aber wenn Sie die
Bilder genauer anschauen, werden Sie das System nicht als vollständiges
System entdecken, sondern als Zitat oder Fragment, wiederum kombiniert mit
anderen Stücken - wieder also ambivalent, wieder unbestimmt und mehrdeutig
eingesetzt, so dass man eine Art konstruktiver Unsicherheit beim Betrachten
der Bilder verspürt, mit der man bei aller Schönheit und Harmonie arbeiten
muss. Es ist nicht einfach schön, es ist kompliziert schön. Und das ist,
glaube ich sehr wichtig und etwas, das die Kunst eigentlich bringen soll. Dabei ist ebenfalls wichtig, dass Ludwig Gebhard
mit Reduzierung umgeht, in einer Richtung, die ich hier Purismus nennen würde
– also saubere Formen. Man reinigt die ursprünglichen Formen sozusagen
und kommt so zu den endgültigen Formen, die so und so sein müssen und
nichts anderes. Daher auch die Technik des Linolschnitts, wo die
Eindeutigkeit des Schnitts wohl am besten festzumachen ist. Linoleum ist ein
Material, das ganz genau das wiedergibt, was der Künstler einmal
hineingeschnitten hat. Die Flächen bleiben sauber, die Trennung zwischen
den Flächen bleibt sauber. Das, so nehme ich an, sind die Qualitäten, die
den Künsteler dazu bewegt haben, diese Technik zu wählen. Wenn man über die Mehrdeutigkeit des
Stilistischen bei Ludwig Gebhard spricht, fallen einem bestimmte Namen ein
wie Joan Miró, Fernand Léger oder Paul Klee, die immer wieder durch die
Bilder assoziative Signale geben. Vor allem ist hier natürlich an Pablo
Picasso zu denken, auf den man sich nicht nur in der spätmodernen sondern
auch in der postmodernen Zeit durchaus berufen kann. Deshalb würde ich hier gerne einen Exkurs
machen, über das was Picasso und Braque in ihrem analytischen Kubismus
gemacht haben, um anzudeuten, welchen Stellenwert er bis heute hat. Eines der Probleme der Ambivalenz, die Picasso
und Braque sich gestellt haben, war
den Widerspruch, die Dichotonie zwischen Konkretem, zwischen Realem,
Figurativem und Abstraktem zu lösen. Wir wissen, dass Picasso nie in die
reine Abstraktion wollte. Mondrian warf ihm vor, dass er hier den letzten
Schritt nicht gemacht hat. Picasso und Braque wollten diesen Schritt nicht
machen weil er in ihren Augen eine Sackgasse war. Sie haben versucht,
zwischen Realität und Bild zu vermitteln, haben nach verschiedenen Lösungen
gesucht und schließlich die Collage erfunden, nämlich die Möglichkeit,
einen Gegenstand, also ein dreidimensionales Objekt in das Bild so zu
integrieren, dass es ein Bestandteil der zweidimensionalen Fläche wird,
dass man also etwas Konkretes (was in den Augen der Abstrakten ein
Verbrechen ist) in das abstrakte, gestalterische Bild integriert so dass es
konkret bleibt, aber gleichzeitig die Qualität des Bildes annimmt. Die
Collage ist nämlich sozusagen die Versöhnung zwischen der realen und der
abstrakten Welt, wo sich beide in einer neuen Welt vereinigen. Das ist es
eigentlich, was den beiden Puristen gelungen ist und zwei Jahre später für
Marcel Duchamp den Weg zu Readymade geöffnet hat, wo man den Gegenstand
ohne das Bild selbst schon als gestalterisches Element präsentiert. Ich möchte
das betonen, weil wir wissen, was das Readymade von Duchamp für die heutige
Kunst bedeutet. Es haben sich hier Möglichkeiten eröffnet, die bis heute
jeder zweite Künstler benutzt. Ich erwähne das, weil es bei Picasso
eigentlich schon während der Moderne passiert, wo er Elemente der
Postmoderne entwickelt und entdeckt hat, nämlich die totale Ambivalenz und
Wechselhaftigkeit zwischen realem Gegenstand und gemaltem, gezeichnetem,
Bild. Ich komme zu der Ambivalenz in den Bildern von Ludwig Gebhard zurück. Die Linie erfüllt, genauso wie bei Picasso, mehrere Aufgaben: Sie kann Volumen eingrenzen, sie kann eine Fläche eingrenzen, sie kann als Passage wirken. Von Cézanne kennen wir die Wirkung, die Qualität der Linie, die sozusagen in die Tiefe des Bildes hineingeht. Das ist genau das, wo die Linie ihren linearen Charakter verliert und sich raumbildend betätigt. Sie kann als Schattierung auftreten oder einen antiperspektivischen Raum markieren. Die Fläche kann als Raumgrenze oder als Raumillusion und auch als Leere erscheinen, wo sich dann eine Konstruktion aus Linien vor der Leere oder in der Leere präsentiert. Ähnlich kann die Farbe als Fläche oder raumbestimmende Konstruktion auftreten. Dabei ist wichtig, dass Ludwig Gebhard nicht darstellt. Ich habe viele Texte gelesen, in denen man über die Darstellung und die Empfindung der Wirklichkeit spricht und den Künstler dann sozusagen dabei erwischt, wie er das verarbeitet. Ich glaube nicht, dass Gebhard das macht. Ich glaube, Ludwig Gebhard konstruiert. Er konstruiert aus dem, was er kennt, was er schon gestaltet gesehen hat. Deswegen gibt es so viele Stilzitate. Man findet Linien, die kubistisch wirken. Man findet futuristische Simultanität, das heißt, das Festhalten mehrerer Phasen eines Gegenstandes wie wir das im Futurismus gesehen haben. Man findet konstruktivistische Tektonik, das heißt Aufbau durch konstruktivistische Elemente durch die Geometrie oder surrealistische Illusion. Das sind alles Prinzipien und Strategien, die schon gestalterisch verwendet worden sind und die Gebhard hier nochmals verwendet, die nicht aus der Wirklichkeit abgeleitet sind, sondern aufgrund der Erfahrung der anderen Künstler gesehen wurden und hier perfekt und auf eine schöpferische Weise angewendet werden. In diesem Sinne ist Ludwig Gebhard kein moderner Künstler, sondern ein postmoderner, der es sich erlaubt, Zitate zusammenzumontieren und in eine neue Einheit einzubeziehen, das heißt zu dekonstruieren, einzelne Elemente von der Bedeutung zu befreien und in ein neues System zu integrieren, das ein neue Bildwelt erschafft.
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