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Petra Schaffer:
Augentäuschung und Bewegung
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Zur Ausstellung Petra Schaffer, 11. März 2008
Es ist gar nicht so selbstverständlich, sich heutzutage Photographien in einer Galerie anzuschauen, denn ich gehe sicher nicht falsch in der Annahme, daß jeder von ihnen heute im Laufe dieses einzigen Tages schon etwa 1000 photographische Bilder gesehen hat – auf dem Weg durch die Stadt, bei der Zeitungslektüre, im Verkehr, an Plakatwänden, die unzähligen Bilder im Fernsehen gar nicht miteingerechnet. Was führt uns also dazu, uns eine Ausstellung von 21 Photographien anzusehen, einige von Orten, die wir gar nicht kennen, andere mit uns allen völlig unbekannten Menschen? Ich will versuchen, eine Antwort auf diese Frage zu finden. Ganz abwegig ist die Frage nicht, denn die Photographie hat einige Zeit um Ihren Status als Kunstgattung kämpfen müssen. Wie die anderen graphischen Kunstformen, die zunächst vorwiegend als (Hilfs-)Mittel zur Verbreitung von Bildern gesehen wurden – nämlich zu politischen, propagandistischen und kommerziellen Zwecken, und deren eigenständiger künstlerischer Wert erst nach der Loslösung von solchen Zielen erkannt wurde, so musste sich auch die Photographie ihren Platz erst erobern. Lange stand der vorwiegend dokumentarische – auch propagandistische - Charakter des Mediums im Vordergrund, auch dort, wo die Fotografien im künstlerischen Umfeld angesiedelt waren, wie bei den Surrealisten und Dadaisten. Ich denke man kann diese Behauptung in der Summe so bejahen, ungeachtet der zeitweise gegenteiligen künstlerischen Einschätzung etwa beim Bauhaus oder aber auch zu Zeiten des dritten Reiches. Erstaunlich auch, daß es Photogalerien erst seit etwa 1970 gibt, in einer Zeit also, in der der Bildverschleiß durch Massenmedien und die Depravierung des Photos durch seine massenhafte Verbreitung in schlechter Druckqualität bereits allgegenwärtig war. Jetzt kam das nicht über den Druck vermittelte Originalphoto wieder ins Spiel – als bewußte Abgrenzung und als Gegenentwurf zur photographischen Massenware. Es ist in diesem Zusammenhang interessant und aufschlußreich, daß Petra Schaffer, Urenkelin, Enkelin und Tochter von Berufsphographen, die Ihre Ausbildung an der Photoschule in München abgeschlossen hat, in ihrem Hauptberuf als Fernsehregisseurin beim zweiten deutschen Fernsehen arbeitet. Sie reflektiert also diesen Prozess der Emanzipation der künstlerischen Photographie gegenüber den Massenmedien damit recht gut in ihrer eigenen Biographie, und zwar sehr folgerichtig in einem puristischen Ansatz in der Photographie – nämlich in der vollkommenen Beschränkung auf – und auch in der brillanten Beherrschung in – einer ausschliesslich analogen Technik. Susan Sonntag – die große amerikanische Kulturkritikerin - beschreibt diese Technik recht treffend als eine Emanation (d.h. das Hervorgehen der Lichtwellen, die von Gegenständen reflektiert werden) eine materielle Emanation, wie es ein Gemälde nie sein kann." (Emanation: Das Hervorgehen aller Dinge aus einem höchsten Ursprung. Bestimmend ist dabei der Gedanke, daß sich der Urgrund durch den Vorgang der Emanation nicht erschöpft, sondern seine Fülle dauernd bewahrt.) Die angewandte analoge Technik erzeugt im wahrsten – und physikalisch erklärbaren Wortsinn – einen Wiederschein der Wirklichkeit, wie das von allen Bildwerken immer als lobende Auszeichnung behauptet wird. Petra Schaffers Städtebilder sind oft menschenleer, ein selbstvergessenes Spiel des Lichtes über eine künstlich geschaffene, technisch geprägte Umwelt, gespiegelt vom Objektiv und eingefangen vom Kameraverschluss, eingeprägt in die Silberschicht des Films, dann von den Lampen des Vergrößerungsgerätes durcheuchtet und wieder zum Leben erweckt im Entwicklungs- und Fixierbad, hier nun unter den Galerielichtern auflebend, mit jener vollkommen (un)mittelbaren Verbindung zum abgebildeten Gegenstand, die nur in der von Petra Schaffer benutzten direkten Technik möglich ist. Jedes Bild – und jeder Abzug muß einzeln hergestellt werden, eine maschinelle Massenreproduktion ist dabei unmöglich. Die Betrachtung des Ergebnisses ist nicht anders als im Galerieraum – oder in ihren eigenen Räumen im persönlichen Besitz, wozu ich Sie herzlich ermutigen will - möglich. Aber auch in einem anderen Sinn sind diese Bilder eine kreative Auseinandersetzung mit einer uns täglich überflutenden Bildwelt: Wir erkennen die Fotographien als Wiederentdeckungen medialer Umweltdarstellung in der von Petra Schaffer gesehenen Wirklichkeit. Immer wieder drückt ein und dasselbe Bild die Dualität der realen Erscheinung und zugleich seine Rezeption in den Massenmedien aus. Das macht uns diese Bilder ja auch so gleichermaßen vertraut und fremd und damit ein bißchen unheimlich, ähnlich etwa den Gemälden de Chiricos, die den Betrachter in ihre nur scheinbar reale Welt stellen, die er seinerseits sich nun erst wieder (gedanklich) einrichten muß, um darin Zentrum und Orientierung zu finden. Dabei gelingt es Petra Schaffer durchaus, Kunst und Dokumentation zu verbinden. Ihre raffiniert und spielfreudig ausgedachten Kompositionen reihen sich in die Tradition zwischen Stadt- und Umweltfotographie ein, die kreative Auseinandersetzung mit den großen Vorgängern Eugene Atget, und seinen Aufnahmen des Paris der vorletzten Jahrhundertwende sowie Berenice Abbott und Ihren Arbeiten über das New York der 30-er Jahre des letzten Jahrhunderts kann man in diesen Photos durchaus erkennen. In einem weiteren Sinn verkörpert Petra Schaffer die Dualität Medienwelt – Photographie: Nämlich in ihren Langzeitbelichtungen: Während das Fernsehen das Kontinuum der Zeit abbildet, verhält sich die Kamera wie ein Zeit-Mikroskop, das unendlich kleine Zeitausschnitte festhält, etwa 1/500 oder 1/1000 Sekunde – Augenblick die von unserem Bewußtsein gar nicht mehr erkannt werden können, höchstens noch vom Unbewußten, was bei manchen Kollegen übrigens zu Porträtaufnahmen führt, die den Fotografen ebenso entlarven wie die Objekte der Porträt- oder Personenphotos. Petra Schaffer nun thematisiert diesen Vorgang ganz bewußt in ihren träumerisch verspielten Langzeitbelichtungen. Kein Abbild eines zeitlichen Kontinuums wie vor laufender Film- oder Fernsehkamera, sondern die bewußte Auswahl eines Augenblickes frei bestimmter Dauer – und die Verdichtung in einem einzigen Bild. Für die Architektur- und Städtebilder von Petra Schaffer läßt sich sagen, was Walter Benjamin über die Photographien Eugene Atgets schrieb: Die Stadt auf diesen Bildern ist ausgeräumt wie eine Wohnung, die noch keinen neuen Mieter gefunden hat. Diese Leistungen sind es, in denen die surrealistische Photographie eine heilsame Entfremdung zwischen Umwelt und Mensch vorbereitet. Sie öffnet dem politisch geschulten Blick das Feld, auf dem alle Intimitäten zugunsten der Erhellung des Details zurücktreten. Petra Schaffers Beschäftigung mit der Wirklichkeit muß sich heute allerdings in weit höherem Maße mit unserem bereits medial vorgeprägtem Blick auseinandersetzen – und sie tut das aus Ihrer intimen Kenntnis der verschiedenen Bildwelten – und dankenswerterweise nicht nur mit einer excellenten Technik sondern stets auch mit liebenswerter Ironie. „Photography helps people to see" dieses Zitat von Brenice Abbott möchte ich der vorliegenden Ausstellung mitgeben, und sie ermuntern, sich auf dieses Lernen einzulassen. (w.e. 11.3.08)
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Ausstellungreröffnung am 11. März 2008 (Fotos: Erdel verlag)
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Fensterputzer mit Dame,2003 (ps0001)
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Einige Bilder
der
Ausstellung |
(Alle Rechte auf die Fotos sowie auf jegliche Art von Verwendung der Fotos liegen bei Petra Schaffer.) |
Dampfschiff auf dem Vierwaldstätter See,
Selbstportrait auf tropischem Blatt, 2004 (ps0002)
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Die Fotografien Die Fotografien in limitierter Auflage (5) sind Analogaufnahmen ohne digital generierte Effekte und ohne Laborbearbeitung. "Die Wirklichkeit anders sehen" ist das Motto von Petra Schaffer und führt sie folgerichtig zu der Umsetzung ihrer Arbeiten als Lomographien und als Trompe l´oeil. Die mit der russischen Kultkamera "Lomo" aufgenommenen Lomographien sind mit unterschiedlich langer Belichtungszeit aufgenommen und zeigen Bewegung, die einerseits durch die Bewegung der Kamera, andererseits durch das Motiv selbst entsteht. "Trompe l´oeil" - Augentäuschung - war besonders im Manierismus und Barock beliebt. Ein guter Trompe l´oeil Effekt enttarnt sich selbst, tut das aber erst nach einer Weile, niemals auf den ersten Blick und regt so die Phantasie des Betrachters an.
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Musical Destrict, 2000 (ps0023)
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Bubbles am Fluß, 2005 (ps0048)
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